Seit geraumer Zeit ist rage&reason [bzw. 4pawsnet] auf der Seite der sogenannten "Nationalen Sozialisten AG Tierrechte" verlinkt. Selbstverständlich haben wir mit dieser Verlinkung nichts zu tun, sie wurde ohne unser Einverständnis vorgenommen. Die Chancen, sich rechtlich dagegen zu verwahren, sind allerdings gering: jedeR kann grundsätzlich nach überall hin links setzen. Auch andere TR-Gruppen wie ALF, Animal Peace, Die Tierbefreier etc. sind auf der Nazi-Seite der "AG Tierrechte" verlinkt. Was wir vom braunen Pack am Rande der Tierrechtsbewegung halten, ist auf dieser Seite nachzulesen.
"Nazis und Tierrechte"
Zu den Versuchen von Neonazis, die Tierrechtsbewegung zu unterwandern
Vortrag von Colin Goldner beim Vegan Brunch der Tierversuchsgegner Saar vom 26.10.2014
Neonazis suchen den Schulterschluss mit der Tierbefreiungsbewegung
Für Menschen, die die Neonazi-Szene beobachten ist es nichts Neues: Neonazis firmireren derzeit mit gesellschaftskritischen Inhalten und versuchen so, in sozialen Bewegungen Fuß zu fassen. So organisieren Menschen, die sich "Autonome Sozialisten" nennen, bei Montagsdemos gegen die HartzIV-Reform mit, engagieren sich in Sachen Umweltschutz und interessieren sich neuerdings auch für Tierrechte und Veganismus. Dabei wird versucht, vormals oder aktuell "links" definierte Szenecodes zu okkupieren[1]. Von der Kufiya, dem so genannten "Palituch" über politische Schlagworte wie "Antikapitalismus" und sogar "Antifaschismus" bis hin zum szenetypischen Bekleidungsstil und subkultureller Musik wird alles dem neuen rechten Style einverleibt, was sich irgendwie mit der neuen Ideologie vereinbaren lässt -- allerdings nicht ohne den Versuch, die Begriffe neu zu besetzen und althergebrachte Anleihen aus nordischer Mythologie und germanischem Heidentum mit einfließen zu lassen. Kaum wurde das in schwarz-grün abgewandelte Symbol der «Antifaschistischen Aktion» zur Meme in der antispeziesistischen Bewegung, fand es auch bei den Neonazis Anklang.
«Ursprünglich steht das Symbol für die Antispeciesist Aktion. D.h. für die Gleichstellung verschiedener Spezies (Tier und Mensch). Wir haben uns das Symbol angeeignet da es (für uns) eine verbindung zwischen der National Sozialistischen Weltanschauung und der Naturverbundenheit darstellt. Das Symbol wird/ist aber schon abgeändert worden, damit unmissverständlich klar wird das auch Nationale Sozialisten im freien Widerstand für die Rechte der Tiere kämpfen!» (Aus einem Neonazi-Forum, Fehler im Original)
Zum ersten mal in der Öffentlichkeit wahrnehmbar waren die "Nazis für Tierrechte" Ende Mai diesen Jahres [2006]. Mehrere Neonazis aus Pirna und Dresden beteiligten sich am Aktionstag der «Offensive gegen die Pelzindustrie» und stellten sich in Boxershorts mit einem Transparent vor die P&C-Filiale in Dresden und verteilten Flugblätter für "Peta"[2]. Als Neonazis erkennbar waren sie nur für Menschen, die die Codes der "neuen Rechten" kennen. Erst das Antifa-Recherche-Team aus Dresden machte darauf Aufmerksam, wer hinter den vermeintlichen Tierrechtler_innen steckt[3].
Schon zu diesem Zeitpunkt wurde begonnen, den Themenkomplex Tierrechte auf publikatorischer Ebene ideologisch zu integrieren. Mutete der Artikel "be free - go straight edge" in der Bundesweit verteilten Neonazi-Schülerzeitung "['invers]"[4] noch naiv an, erschien mit der ersten Ausgabe des "fallen rain mag" die erste Nischenpublikation für Umweltschutz, Tierrechte und Nationalsozialismus, herausgegeben von einem Neonazi aus Edemissen[5].
«Ein weiteres Standbein des Magazins sind Gespräche mit verschiedenen Personen aus dem Naturschutzspektrum. So beinhaltete die erste Ausgabe Gespräche mit der Tierrechtsorganisation PeTa [...]. So wird im 2. fallen rain ein ausführliches Gespräch mit den "Nationalen Sozialisten für Umwelt und Naturschutz" enthalten sind.
Dabei setzt sich das fallen rain Heft kritisch mit der heutigen Gesellschaft und dem Raubtierkapitalismus auseinander. Die Wegwerfmentalität der Bevölkerung wird angeprangert und die tierrechtliche Seite wird besonders hervorgehoben. Deshalb wird im fallen rain auch über Vegetarismus/ Veganismus informiert und aufgeklärt.» (Aus einer Werbung für die Publikation "fallen rain mag")
Hinter den Versuchen der "neuen Rechten", in der Tierrechtsbewegung mitzumischen, steht eine klare Strategie. Die vermeintlich progressiven Inhalte sind nur vorgeschoben, im Vordergrund steht für die Neonazis, jugendkulturkompatibel zu sein und so neue Menschen für ihre menschenverachtende Ideologie mit poppigem Anstrich zu gewinnen.
Schon einmal konnte innerhalb der rechten Szene der Versuch, emanzipatorische Inhalte von Rechts zu besetzen, beobachtet werden. Neonazis versuchten, sich an den Protesten gegen die Castor-Transporte zu beteiligen[6]. Doch die Reaktionen der Antiatombewegung waren klar abweisend und verhinderten ein Fuß fassen der Rechten.
Doch mittlerweile sehen die Neonazis genauer hin, wo tatsächliches Potenzial für eine inhaltliche Vereinnahmung vorhanden ist. Die Tierrechsszene scheint dabei ein lohnendes Ziel zu sein.
Gerade die ideologische Offenheit von Teilen der Tierrechtsszene gegenüber rassistischen und esoterischen Inhalten bietet Neonazis ungeahnte Möglichkeiten der Anknüpfung. Die Tatsache, dass mit der Beschränkung auf die Forderung nach Tierrechten keine anderen Herrschaftsmechanismen angegriffen werden, macht es den Neonazis leicht, Gemeinsamkeiten zu entdecken - Widersprüche sind nicht vorhanden oder können ausgeblendet werden.
Nicht von Ungefähr beziehen sich die Neonazis stark auf die Organisation "Peta", in der Kampagne "Der Holocaust auf deinem Teller" sehen sie den geforderten Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Nationalsozialistischen Diktatur - eine ideologische Nähe, die von den Inszenierenden der Kampagne immer wieder klein geredet wurde. Es ist kein Zufall, dass die Neonazis gerade für "Peta" die Werbetrommel rühren.
Ebenso aufschlussreich sind die Reaktionen auf die Beteiligung der Neonazis an der P&C-Kampagne. Von der «Offensive gegen die Pelzindustrie» kam zwar ein klares Statement, dass Tierbefreiung und faschistische Ideologie nicht vereinbar sind, andere Teile der Tierrechtsszene jedoch begrüßten die Aktion unter dem unsäglichen Leitspruch "Hauptsache für die Tiere" oder bezweifelten, dass die "Protestierenden" Neonazis sind[7].
Die Forderung nach Tierrechten ist nicht emanzipatorisch. Sie kann von beliebigen Bewegungen adaptiert werden und passt durchaus in die Ideologie der Neonazis. Es ist nicht verwunderlich, wenn Neonazis oder Organisationen wie "Universelles Leben" sich Tierrechte und Veganismus auf die Fahnen schreiben und damit Anhänger_innen finden.
Herrschaftsförmige Ideologien finden dort keinen Halt, wo ein emanzipatorisches Moment vorhanden ist, wo die Machtausübung gegenüber anderen Spezies als herrschaftlicher Mechanismus, als Speziesismus, erkannt wird und in den Kontext einer umfassenden Kritik an Machtverhältnissen gestellt wird. Hinter Speziesismus, Sexismus, Rassimus, ... wirken die selben Mechanismen, die selben Logiken.
Antispeziesismus bedeutet auch, rassistische Verhältnisse zu bekämpfen, Sexismus zu dekonstruieren. Antispeziesismus bietet keine Anknüpfungspunkte für Nazis.
Fußnoten
[1] Weitere Infos: Veranstalungsreihe "Des Nazis neue Kleider", apabiz, berlin
[2] http://veg.gs/de/blog/tag/nazis/
[3] http://venceremos.antifa.net/ddneonazis/fks/karstenscholz/invers.html/
[4] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19693/1.html/
[5] http://de.indymedia.org/2005/03/110058.shtml/
[6] http://www.netzwerk-regenbogen.de/nazis_vs110301.html/
[7] http://www.vegan-central.de/foren/board_entry.php?id=26289
Quelle: agretverko antispecismo oriento 12/2006
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Tierrechts-Schläger auf den Spuren des "Stürmer"
redok 25.03.2007
Als "Tierschützer" haben Rechtsextremisten am vergangenen Sonntag vor einem Kleinzirkus in Laupheim (Baden-Württemberg) Flugblätter verteilt und Angehörige des Zirkus tätlich angegriffen. Die Kombination aus Rechtsextremismus und gewalttätigem Tierschutz sei ein neues Phänomen, sagt das Stuttgarter Landeskriminalamt. Dabei gehörte der "Tierschutz" durchaus zur schlimmsten antisemitischen Hetzpropaganda, die das "Dritte Reich" zu bieten hatte.
Die "Tierschützer" hatten sich in einem Trupp von sechs Männern vor dem Zirkus postiert. Ihre Flugblätter "Zirkus - Amüsement auf Kosten der Tiere" sahen wie übliche Tierrechts-Rhetorik aus. Als jedoch der Zirkuschef ein Flugblatt von den Aktivisten haben wollte, wurden die Tierfreunde rabiat: Es kam zu einer Schlägerei, die Polizei ermittelt wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung gegen die "sechs Personen, die offensichtlich Streit gesucht haben".
Bei dem Sextett handelte es sich um "polizeibekannte Aktivisten aus der rechtsextremen Szene", erfuhr die Schwäbische Zeitung auf Nachfrage von den Ordnungshütern. Tatsächlich kamen die Anti-Zirkus-Aktivisten von den "Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht", die laut ihrer Webseite "Stimme und Fäuste gegen die grausame Ausbeutung der Tierwelt" erheben wollen. Dem Landeskriminalamt waren solche Verbindungen bisher unbekannt: "Das Phänomen ist neu", zitiert die Zeitung einen LKA-Sprecher.
Dabei wird der Tierschutz schon geraume Zeit von Rechtsaußen bemüht, wenn man damit gegen Minderheiten hetzen kann - insbesondere gegen Juden und Zigeuner. Umweltthemen sind bei der extremen Rechten ein durchaus beliebtes Vehikel.
Für die national-ökologische Strategie der NPD und parteiloser Kameraden lautet die Formel schlicht "Umweltschutz = Heimatschutz". Waren es bisher vor allem die umweltpolitischen Agitationsfelder Atomkraft, Umwelt- und Artenschutz, so treten derzeit verstärkt globalisierungskritische und Tierschutz-Inhalte in den Vordergrund auch neonationalsozialistischer Agitation.
Dabei wird die Kritik an den Missständen mit "Blut-und-Boden-Ideologie" vermischt, und für die Propaganda gegen Castortransporte, Gen-Food und Gammelfleisch-Skandale werden rassistische und antisemitische Stereotype der NS-Zeit herangezogen. Wie in anderen Bereichen ist eine Radikalisierung der Aktivisten zu beobachten. Die in Laupheim gewalttätig gewordenen "Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht" gewähren einen genaueren Blick auf neonationalsozialistische Tierschutz-Propaganda.
Schlachtmethode als rechtsextremes Thema
Wichtiges Thema rechtsextremer Tierschützer ist das "Schächten". Unter Schächten versteht man die rituelle Schlachtmethode des betäubungslosen Schlachtens, wie sie im Judentum und auch im Islam vorschriftsmäßig ausgeführt werden muss: Mit einem Halsschnitt werden Schlagadern, Luft- und Speiseröhre durchtrennt, was die rasche Bewusstlosigkeit des Schlachttieres und sein völliges Ausbluten gewährleistet, um dem Blutgenussverbot zu entsprechen.
In Europa wird das betäubungslose Schlachten in einigen Ländern als Ausnahme vom Betäubungsgebot der jeweiligen Tierschutzgesetze erlaubt. In Österreich hat der Verfassungsgerichtshof in einem Urteil von 1998 Schächten aus religiösen Gründen erlaubt. Auch seitens der Europäischen Union sind Ausnahmen von der Betäubungspflicht für rituelle Schlachtungen vorgesehen [1].
In der Bundesrepublik verbietet § 4 a Tierschutzgesetz das Schlachten warmblütiger Tiere ohne vorherige Betäubung - eine Ausnahmegenehmigung darf jedoch erteilt werden, wenn es "erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen". Im Januar 2002 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass muslimische Metzger ebenso wie jüdische eine Ausnahmegenehmigung für das Schächten erhalten können [2].
Stichwortgeber aus der Schweiz
Als Vorreiter und Stichwortgeber für Rechtsextremisten zum Thema "Schächten" kann der Schweizer Erwin Kessler angesehen werden. Der 63-jährige Präsident des sogenannten "Vereins gegen Tierfabriken (VgT)" war bereits 1998 wegen Verstoßes gegen das Antirassismusgesetz zu einer Haftstrafe von 45 Tagen verurteilt worden. Urteilsbegründend gewertet wurden Sätze wie: "Wenn Juden massenhaft Tiere durch Schächten umbringen, dann sind sie nicht besser als ihre früheren Nazi-Henker, dann zeigen sie den gleichen Überlegenheitswahn gegenüber anderen Lebewesen und fühlen sich in gleich verwerflicher Weise berechtigt, diese brutal umzubringen".
Im November 2004 hatte das Zürcher Obergericht Kessler zu einer Haftstrafe von fünf Monaten wegen Rassendiskriminierung und Körperverletzung verurteilt. Kesslers Verteidiger hatten sich jedoch geweigert, zu den Rassismus-Vorwürfen zu plädieren, weil sie sich dadurch ebenfalls der Rassendiskriminierung schuldig machen würden. Deshalb wurde dieses Urteil vom Kassationsgericht (oberster kantonaler Gerichtshof) aufgehoben. Die erstinstanzliche Verhandlung muss am Bezirksgericht Bülach noch einmal wiederholt werden.
Kessler, der auf die Verurteilung von 1998 mit verschiedensten Einsprüchen reagiert hatte, setzte sich vor Antritt der 45-tägigen Haft, die im September 2000 letztinstanzlich durch das Bundesgericht bestätigt worden war, ins Ausland ab. Auf Kesslers Webseiten wird unter Verweis auf die bezüglich des Straftatbestandes der Volksverhetzung anderslautende Gesetzgebung in Ungarn erklärt: "Es gibt deshalb auch in Europa Orte, wo man vor der neuen, jüdisch gesteuerten Inquisition geschützt ist". Am Neujahrstag 2007 - an dem Tag, an dem die Verjährung eintrat - tauchte Kessler wieder auf.
NPD-Apfel gegen "nicht einflusslose Minderheit"
Auch in der Bundesrepublik ist das Thema "Schächten" Inhalt rechtsextremistischer Propaganda. So wird das BVerfG-Urteil zur Schächterlaubnis für einen muslimischen Metzger umfassend kommentiert. Der heutige stellvertretende NPD-Parteivorsitzende Holger Apfel befürchtete im NPD-Organ Deutsche Stimme (DS), nun drohten "eigener Kulturverlust, Wucherungen fremdkultureller Versatzstücke, [...] greifbare Zukunft zu werden". Des weiteren meint Apfel, diese Ausnahmeregelungen seien "bis dato einer kleinen, aber nicht unbedingt einflußlosen Minderheit in der Bundesrepublik vorbehalten" gewesen: "Juden, denen ihre Religion vorschreibt, daß sie nur 'koscheres' Fleisch essen sollen, durften betäubungslos schlachten." Gleichzeitig ruft Apfel zu Aktionen auf.
Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, daß Nationaldemokraten künftig vor Schächtbetrieben gegen das Schächten demonstrieren werden, um aufzuzeigen, daß die Deutschen Tiere als schützenswerte Mitgeschöpfe ansehen, deren Schicksal sie berührt. Natürlich auch, um ein Zeichen dafür zu setzen, daß die Masse der Deutschen nicht gewillt ist, das Opfern althergebrachter eigener Sitten und Bräuche auf dem Altar des Multikulturalismus ohne gut hörbaren Protest hinzunehmen. (Deutsche Stimme, Februar 2002)
Anfang 2007 wird das Thema "Schächten" erneut in der DS aufgegriffen: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte in einem Grundsatzurteil entschieden, dass trotz der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz Tiere aus religiösen Gründen auch ohne vorherige Betäubung getötet werden dürften. Das Tierschutzgesetz sehe Ausnahmen für Religionsgemeinschaften vor, wenn ihnen zwingende Glaubensvorschriften den Fleischgenuss von unter Betäubung geschächteten Tieren verbieten, so die Begründung des Gerichts.
Im DS-Artikel beklagt der Verfasser, es gelte nun, "was unserer Kultur und Tradition, Sittlichkeit und Volkscharakter frech widerstreitet", nicht ohne zu betonen, dass das geltende Tierschutzgesetz "im Kern von den 'Nazis'" stamme: "Das darin enthaltene strenge Verbot des Schächtens halten wir dem Gesetz unumwunden zugute [...]." Am 1. April 1933 war im Deutschen Reich die rituelle Schlachtung von Tieren verboten worden - mit dem Ziel, den jüdischen Teil der Bevölkerung in seinen religiösen Empfindungen und Gebräuchen zu verletzen, wie auch das BVerfG 2002 in seinem Urteil festhält.
Flankiert wird der DS-Artikel von einem Leserbrief in der aktuellen Ausgabe vom März 2007 des NPD-Organs, in der der Leserbriefschreiber mit Verweis auf die Herkunft des muslimischen Klägers betont: "Abgesehen davon hat sich wohl stets der Gast nach den Gepflogenheiten, Gesetzen und Bräuchen des Gastgebers zu richten und in einer Demokratie die Minderheit nach der Mehrheit". Und die NPD Brandenburg stellte unter Missachtung jeglicher Fakten die rhetorische Frage, ob es möglich sei, "die Dönerbuden zu kennzeichnen, in denen Fleisch von geschächteten Tieren verarbeitet und verkauft wird oder wäre das dann übelste Boykotthetze?"
"Tierrechtler" in der Tradition des Julius Streicher
Angesichts des historisch vorbelasteten Themas "Schächten" überrascht es nicht, dass beispielsweise der neonazistische Wikinger-Versand aus dem niederbayerischen Geiselhöring T-Shirts und Buttons mit dem Aufdruck "Schächten ist Tierquälerei" anbietet. Die auch antisemitische Stoßrichtung wird mit einem weiteren Angebot deutlich, einem Button, der die Aufschrift "100% unkoscher" trägt.
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Buttons beim "Wikinger-Versand"
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Noch deutlicher aber wird eben jene Gruppierung, die für den Überfall auf den Zirkus in Laupheim verantwortlich ist. Unter den Zielen der "Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht" werde unter anderem das "Verbot des religiösen Schächtens" und ein "Importverbot für koscheres Fleisch" angegeben, Kontaktadresse sei ein Postfach in Baden-Württemberg, so die Schwäbische Zeitung. Die auf dem Flugblatt angegebene Internet-Adresse ließe keinen Zweifel am rechtsextremen Hintergrund der "Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht". Die Webseite dieser Gruppierung ergebe den Anfangsverdacht auf verfassungsfeindliche Taten, das Amt werde Ermittlungen gegen die Betreiber einleiten. Allerdings werde es schwierig sein, die Homepage zu verbieten, weil sie nicht aus Deutschland stamme.
Tatsächlich macht die Webseite der "Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht", die im Februar online ging, mit einer Grafik aus dem nationalsozialistischen Machwerk "Der Giftpilz" auf. Das "Kinderbuch" "Der Giftpilz: ein Stürmerbuch für Jung und Alt" wurde 1938 von Ernst Hiemer, der 1938 - 1941 Hauptschriftleiter im "Stürmer" war, herausgegeben. Die Abbildung zeigt eine Gruppe unansehnlicher und unsympathisch dargestellter Männer, die eine angstvoll blickende Kuh schlachten. Das entsprechende Kapitel heißt "Wie die Juden Tiere quälen", der zum Bild gehörige Text lautet: "Wieder stürzt das Tier zu Boden. Langsam stirbt es. Die Juden aber stehen herum und lachen dazu."[3]
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Abbildung aus dem "Giftpilz", herausgegeben von Julius Streicher
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Im Hetzblatt "Der Stürmer" zählten Berichte über angebliche "jüdische Ritualmorde" und das Schächten von Tieren zu den bevorzugten Themen. Die Titelseiten wurden mit Karikaturen von "Fips" (Philipp Rupprecht) gestaltet. Auch die Zeichnungen im "Giftpilz" stammen von Philipp Rupprecht. "Der Giftpilz" zählte zum Beweismaterial in den Nürnberger Prozessen gegen den "Stürmer"-Begründer Julius Streicher, der 1946 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt wurde.
"Fahrendes Volk" als Angriffsziel
Auffallend ist, dass der aktuelle Übergriff durch rechtsextreme "Tierrechtler" der "Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht" in Laupheim nicht wie die beispielsweise von Holger Apfel propagierten Aktivitäten vor einer "Tier-" oder "Schächtfabrik" stattfand, sondern die Mitglieder eines Zirkus betraf. Erst im vergangenen August hatte in Triebel im sächsischen Vogtland eine Horde Jugendlicher einen Zirkus überfallen, dabei sollen rechtsradikale Parolen gerufen worden sein. Einem Bericht der Chemnitzer Morgenpost zufolge sei die 15-jährige Tochter des Zirkusbetreibers mit einem Messer bedroht, der 16-jährige Sohn mit Gewalt aus einem Jugendclub vertrieben worden. In der darauffolgenden Nacht wurden das Zirkuszelt sowie die Kulissen zerstört, es entstand ein Schaden von 13.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft Zwickau habe nun gegen sechs Jugendliche Anklage vor dem Jugendschöffengericht Plauen erhoben. Anwohner hätten gehört, wie Jugendliche die Zirkus-Mitglieder als "Kanaken" und "Zigeunerschweine" beschimpft hätten, Hinweise "auf ein rechtsradikales Motiv der Taten" hätten sich aber nicht ergeben.
Die Berichterstattung über den Überfall in Triebel scheint jedoch rassistische und antiziganistische Vorurteile der Täter zu belegen. Dass diese auf Zirkus-Angehörige angewandt wurden, macht die Komplexität solcher Stereotype deutlich: Jemanden aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Zirkus als "Zigeuner" oder "Kanaken" zu bezeichnen, bedeutet, von einer Beschäftigung (Tätigkeit beim Zirkus) auf eine Lebensform ("Fahrende") zu schließen und von dieser eine Gruppen- oder ethnische Zugehörigkeit ("Kanaken" und "Zigeunerschweine") abzuleiten. Der Junior-Chef des Zirkus in Laupheim bringt es in der Schwäbischen Zeitung auf den Punkt: "Wir sind zwar keine Sinti und Roma, aber wir sind fahrendes Volk und mit unserer Familie reisen viele Nicht-Deutsche, die für uns arbeiten." Dass diesen "Fahrenden" kein sachgerechter Umgang mit Tieren zugebilligt wird, versteht sich spätestens seit der nationalsozialistischen Untermensch-Propaganda von selbst.[*]
Der aktuelle Vorfall in Laupheim hat seinen Hintergrund in der bereits beschriebenen nationalsozialistischen Propaganda der "Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht".[**] Deutlich wird die Verknüpfung verschiedener - in diesen Fällen vor allem antisemitischer, antiziganistischer und rassistischer - Vorurteile, ebenso die zunehmende ideologische Radikalisierung solcher "Umweltaktivisten" durch die Heranziehung originärer NS-Quellen und -Zitate. Dass diese mit der zunehmenden Radikalisierung der Tat korrespondiert, ist nicht zuletzt auf die Hetze eines Erwin Kessler oder Holger Apfel zurückzuführen.
Anmerkungen:
[1] Richtlinie 93/119/EG des Rates vom 22. Dezember 1993 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung.
[2] BVerfG, 1 BvR 1783/99 vom 15.1.2002, Absatz-Nr. (1 - 61)
[3] siehe hierzu die Webseiten des "German Propaganda Archive"
Literaturhinweise:
Daniel Jütte: Tierschutz und Nationalsozialismus. Die Entstehung und die Auswirkungen des nationalsozialistischen Reichstierschutzgesetzes von 1933. PDF-Dokument auf den Webseiten des Instituts für Didaktik der Biologie, 2002 Der Nürnberger Prozeß. Das Protokoll des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof / 14. November 1945 - 1. Oktober 1946. Mit einer Einführung von Christian Zentner. Directmedia, Berlin 1999, Digitale Bibliothek Band 20 Korrektur vom 28.03.2007: In einer früheren Version dieses Artikels war das Strafmaß der Verurteilungen Erwin Kesslers (1998: 45 Tage; 2004: 5 Monate) versehentlich vertauscht worden. Der oben stehende Artikel wurde entsprechend korrigiert. Quelle: www.redok.de/content/view/615/40/
Anmerkung von rage&reason
[*] "Sachgerechten" Umgang mit Tieren gibt es prinzipiell nicht. Am wenigsten im Zirkus, egal, wer diesen betreibt.
[**] Wir verlinken keine Nazi-Seiten. Wer die Seite AG-Tierrecht der "Nationalen Sozialisten" zu wissenschaftlicher/politischer/psychopathologischer Begutachtung einsehen will, findet sie unter: www.tierrecht.org/
Colin Goldner
Der braune Rand der Tierrechtsbewegung
Seit geraumer Zeit versuchen Neonazis, in der Tierrechts- und Veganszene Fuß zu fassen. Sie tauchen auf Aktionstagen und Demos auf, verteilen Flugblätter, lassen sich in ihren Publikationsorganen zu entsprechenden Themen aus. Die Zielrichtung ist klar: mit Tierschutzrhetorik konnte schon einmal Sympathie quer durch sämtliche Bevölkerungsschichten gewonnen und insofern verdeckte Propagandaarbeit geleistet werden.
Tierschutz spielte eine wesentliche Rolle in der verlautbarten Werteordnung des Nationalsozialismus: eine, wie Max Horkheimer später schrieb, vorgegebene „Barmherzigkeit gegen Tiere“ mit der der „Koloß des faschistischen Schlächters seinen Haß gegen Menschen zu verkleiden wußte”.
Als „nützliche Idioten” der Neurechten erweisen sich wortführende Figuren der Tierrechtsszene wie Barbara Rütting, Stefan Eck oder Helmut Kaplan mit ihrer indifferent-kritiklosen Haltung der rechtslastigen Kultgemeinschaft „Universelles Leben” (UL) gegenüber, die seit Jahren Einfluß innerhalb der Tierrechtsszene zu gewinnen sucht. Während sich die Verlautbarungen des UL, begründet Mitte der 1970er von einer selbsternannten „Prophetin“ namens Gabriele Wittek, bis Ende der 1990er in erster Linie um eine Neuinterpretation biblischer Offenbarungen drehten - Wittek sieht sich als Sprachrohr Jesu Christi -, traten zu Beginn des Jahrzehnts plötzlich tierrechtliche Themen in den Vordergrund: Kritik an Massentierhaltung, an Jagd und Fischerei, Fragen zu fleischloser Ernährung usw.; über den UL-nahen „Verlag Das Brennglas“ erschienen Broschüren wie „Der Lusttöter“ oder „Der Tierleichenfresser“, mit dem Quartalsheft „Freiheit für Tiere“ wurde ein eigenes Periodikum etabliert. Auf Betreiben UL-nahestehender Personen wurde eine „Initiative zur Abschaffung der Jagd“ ins Leben gerufen, die regelmäßige Straßendemonstrationen organisiert.
Anstatt sich gegen derlei offenkundige Instrumentalisierungsversuche abzugrenzen, ergehen sich nicht unerhebliche Teile der Tierrechtsbewegung in einfältigster „Hauptsache-für-die-Tiere”-Rhetorik und eröffnen damit nolens-volens eine grundsätzliche Zusammenarbeit auch mit Neonazis: Wer als Tierrechtler gemeinsame Sache mit dem UL bzw. mit Personen aus dem Dunstkreis dieser von Kritikern als totalitär und hochaggressiv eingestuften Psychosekte macht, hat kein Argument mehr zur Hand, weshalb er das nicht auch gemeinsam mit Neonazis machen könnte und sollte. Es reicht, wenn diese sich irgendein Tierschutzetikett wie Schächtgegner, Vivisektionsgegner oder ähnliches anheften, um prinzipiell zu Aktions- und Bündnispartnern werden zu können. Kontext und Zielrichtung treten dabei zwangsläufig in den Hintergrund.
Ohne Distanz
Zu den Organisationen, die über ihre Distanzlosigkeit dem UL gegenüber die Tierrechtsbewegung weit nach rechtsaußen öffnen, zählen namentlich der „Arbeitskreis Tierrechte&Ethik“ (AKTE), der „Politische Arbeitskreis für Tierrechte in Europa” (PAKT), die „Aktion Kirche und Tiere” (AKUT) oder die Partei „Mensch Umwelt Tierschutz”, die sich, zusammen mit weiteren UL-apologetischen Gruppen und Einzelpersonen sowie namhaften Figuren aus dem Dunstkreis des UL selbst im August 2006 zu einer zweitägigen Konferenz in Oberursel einfanden, um eine „Allianz für Tierrechte“ zu schmieden. Hinzugekommen sind bis heute: „Animal Spirit”, „Arbeitskreis für humanen Tierschutz und gegen Tierversuche”, „Deutsches Tierschutzbüro”, „PeTA Deutschland”, „Schüler für Tiere”, „Stimmen der Tiere”, „Tierschutz-Notruf”, „Unabhängige Tierschutz-Union Deutschlands” und zahlreiche andere; dazu besagte „Initiative zur Abschaffung der Jagd” sowie der Brennglas-Verlag.
Die Unterwanderung der Tierrechtsszene durch das UL bzw. die kritiklose Indifferenz weiter Teile der Tierrechtsbewegung dem UL gegenüber hat dieser enormen Schaden zugefügt; von der aktiven Anbiederung nicht weniger Tierrechtler an das UL - Esoterikikone Barbara Rütting etwa, Abgeordnete von B90/Die Grünen im Bayerischen Landtag, macht als solche Werbung für das UL – ganz zu schweigen. Sie hat die ohnehin schon bestehenden Vorurteile, die Tierrechts- bzw. Veganszene trage religionsfanatische, sektoide, rechtsesoterische oder sonstwie nicht ernstzunehmende oder abzulehnende Züge, bestärkt und befördert.
Es formierte sich allerdings auch Widerstand. In einem gemeinsamen Kommuniqué stellten sich Anfang 2004 knapp zwei Dutzend Tierrechtsorganisationen offensiv gegen das UL: Die hierarchisch und autoritär organisierte Glaubensgemeinschaft zeige im Umgang mit Mensch und Tier eine antiemanzipatorische, antiaufklärerische Sekte, die das Thema Tierrechte nutzt, um mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu erlangen und ihre Ideologie zu verbreiten. Das UL sei nicht zu dulden.
Viele der namhaften Organisationen unterzeichneten das Kommuniqué nicht. Sie fanden sich stattdessen in besagter „Allianz“ zusammen, die mit ihrem UL-apologetischen Argument „Hauptsache für die Tiere” Neonazis nachgerade einlädt, sich an die Tierrechtsbewegung anzuhängen.
Nationalsozialismus als Vorbild
In der Tat interessieren sich Neonazis neuerdings für Tierrechte und Veganismus. Und dies nach durchaus historischem Vorbild: Eine ganze Reihe an Nazi-Größen, Hitler vorneweg, präsentierte sich ausdrücklich als Tierschützer. Selbst Göring als passionierter Jäger oder Himmler als Betreiber einer Hühnermastanstalt stellten sich als engagierte Tierschützer dar. Mit Tierschutzpropaganda konnte man anknüpfen an eine seit dem ausgehenden 19.Jhdt. schon bestehende Hinwendung zu Natur- und Tierschutz in breiten Teilen der Bevölkerung. Mit der Vereinnahmung der Idee samt nachfolgender Gleichschaltung der zahllosen Vereine konnte zudem einer schwelenden Protestbewegung der Boden entzogen werden. Tatsächlich fand der Tierschutzgedanke schon in den ersten NS-Gesetzen Niederschlag: Im April 1933 wurde das Schlachten warmblütiger Tiere ohne Betäubung verboten, kurz darauf wurde das Strafmaß für Tierquälerei erheblich verschärft. Die Nazis rühmten sich, die „beste Tierschutzgesetzgebung der Welt“ zu besitzen. In Wirklichkeit aber war die NS-Novellierung der Weimarer Gesetze weniger von tierethischen Motiven getragen - die Qualhaltung und Tötung von Tieren in Mastbetrieben blieb ebenso unberührt wie die besonders protegierte Jagd -, als vielmehr von der Absicht, über das Schächtverbot ein Druck- und Sanktionsmittel gegen die jüdische Bevölkerung in die Hand zu bekommen. Im Übrigen war auch Hitlers Vegetarismus reiner Mythos.
„Nazis für Tierrechte“
Zum ersten Mal traten die „Nazis für Tierrechte“ im Frühsommer 2006 in Erscheinung. Sie beteiligten sich in Dresden an einem Aktionstag gegen die Pelzindustrie. Vor der örtlichen Filiale von „Peek&Cloppenburg“ verteilten sie Flugblätter von „PeTA“, deren Kampagne „Der Holocaust auf deinem Teller“ vorzügliche Möglichkeiten der Anknüpfung geboten hatte. Während der überwiegende Teil der Anti-Pelz-Aktivisten sich klar abgrenzte, gab es auch Stimmen, die die Anwesenheit der Neonazis durchaus für hinnehmbar hielten: „Hauptsache für die Tiere“.
Im März 2007 tauchte in einer Kleinstadt in Baden-Württemberg ein polizeibekannter Neonazi-Trupp vor einem Wanderzirkus auf, verteilte Anti-Zirkus-Flugblätter und brach eine Schlägerei vom Zaun. Es handelte sich dabei um Angehörige der so genannten „Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht”, die laut ihrer kurz zuvor online gegangenen Webseite „Stimme und Fäuste gegen die grausame Ausbeutung der Tierwelt“ erheben wollen. Auf der website war auch eine Abbildung aus dem Machwerk „Der Giftpilz” zu sehen, einem 1938 erschienenen „Kinderbuch” von Ernst Hiemer, der als Hauptschriftleiter des Nazi-Hetzblattes „Der Stürmer” tätig gewesen war. Die Abbildung zeigt eine Gruppe verschlagen dargestellter Männer, die eine Kuh mit in Todesangst aufgerissenen Augen schlachten. Überall ist Blut zu sehen. Das Kapitel in dem Buch heißt „Wie die Juden Tiere quälen“, der dazugehörige Text lautet: „Wieder stürzt das Tier zu Boden. Langsam stirbt es. Die Juden aber stehen herum und lachen dazu.“ Nach dem tätlichen Angriff gegen die Zirkusmitarbeiter und der Aufnahme von Ermittlungen durch das Stuttgarter LKA verschwand die Abbildung sehr schnell von der website.
Alles für die Tiere?
Die Versuche der „neuen Rechten“, in der Tierrechtsbewegung mitzumischen, verfolgen eine klar erkennbare Strategie: Die vermeintlich emanzipativen Inhalte sind nur vorgeschoben, tatsächlich geht es darum, jugendkulturkompatibel zu sein und mit gesellschaftskritischem Anstrich neue Anhänger zu gewinnen. Der niederbayerische “Wikinger-Versand” beispielsweise führt in seinem Sortiment an Nazi-Zubehör auch Ansteckbuttons: neben solchen mit Rudolf Hess oder mit dem Aufdruck „88” gibt es neuerdings auch solche mit „Döner ist Scheiße”, „100% unkoscher” oder „Schächten ist Tierquälerei“.
Wichtigstes Thema der „Nazis für Tierrechte“ ist das von orthodoxen Juden und Muslimen praktizierte betäubungslose Schlachten. Das NPD-Organ “Deutsche Stimme” meinte insofern schon vor Jahren, vor den „Wucherungen fremdkultureller Versatzstücke” und insofern drohendem "Kulturverlust" warnen zu müssen.
Längst hat auch die „Junge Freiheit“ das Thema „Tierschutz“ für sich vereinnahmt. Und selbst die „National-Zeitung“ der DVU entdeckt plötzlich ihre Barmherzigkeit dem Tier gegenüber. In der Ausgabe vom 20. Juli 2007 erschien ein großformatiges Interview mit Francoise Hugo, einem südafrikanischen Tierschützer, der mit seiner Organisation „Seal Alert“ gegen das alljährliche Abschlachten zehntausender von Jungrobben in Namibia kämpft. Das Interview ist in ausgesprochen emotionalisierender Sprache verfasst: Frage: „Durch welche Grausamkeiten zeichnet sich die Robbenjagd aus?“ Antwort: „Die Tiere werden mit Keulen auf den Kopf geschlagen und außerdem ins Herz gestochen. Während dieser Aktion erbrechen die Jungrobben die Muttermilch“. Dazu ein Photo mit Einheimischen, die brutal auf Robben einknüppeln.
Auf die Nachfrage, wieso er solchem Blatt ein Interview gebe, antwortete Hugo, „Seal Alert“ sei eben eine Tierrechts- und keine politische Organisation. Ihm gehe es darum, „die deutschen Touristen zu erreichen, die nach Namibia reisen und damit indirekt das Seehundschlachten unterstützen.“ Die „National-Zeitung“ habe ihm dabei geholfen: „Das ist alles, was mich interessiert.“
Herrschaftsfreie Gesellschaft
Gerade in der einsichtigen Notwendigkeit, sich von der antisemitsch oder prinzipiell fremdenfeindlich motivierten Forderung von DVU, NPD oder der so genannten „Nationalen Sozialisten“ nach einem Verbot des Schächtens abzugrenzen, wird die Absurdität deutlich der von Teilen der Tierrechtsbewegung erhobenen Forderung nach Zusammenarbeit mit jeder beliebigen Einzelperson und Gruppe, die, aus welcher Motivation immer, „Tierschutz“ oder „Tierrecht“ auf ihre Fahnen geschrieben haben. Tatsächlich ist gerade dann, wenn ein punktuell gleiches Ziel angestrebt wird - hier: ein Verbot des Schächtens -, konsequente Abgrenzung unabdingbar von Personen und Gruppen, deren dem Tierschutzgedanken übergeordnete Ideologie in Widerspruch steht zur Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Der Neonazi kann ebenso wenig zum Bündnispartner für die Tierrechtsbewegung werden wie der Papst oder die Prophetin des „Universellen Lebens“, nur weil sie irgendwo eine Position zu vertreten vorgeben, die für sich gesehen auch von dieser vertreten wird.
Ernstzunehmender Einsatz für die Befreiung der Tiere ist immer auch Einsatz für eine herrschaftsfreie Gesellschaft. Psychokulte, Sekten, Religionsgemeinschaften jedweder Art, einschließlich der etablierten Kirchen, haben mit der Utopie der Befreiung von Mensch und Tier nichts zu schaffen; so wenig wie Nazis und Neo-Nazis.
Es kann insofern keinen Schulterschluss geben mit Personen, Gruppierungen oder Institutionen, deren Tierschutz- oder Tierrechtsengagement einer tatsächlich tier-, menschen- und lebensfeindlichen Ideologie vorangestellt ist. Egal ob unter dem Kreuz, dem Hakenkreuz oder unter sonst einem der zahllosen Embleme von Unterdrückung, Ausbeutung oder Herrschaft.
in: Der Rechte Rand 108 Sept./Okt.2007, S. 21f.
Versuch einer Replik
Eine bezeichnende Replik zu obigem Artikel findet sich auf der website des sogenannten Arbeitskreis humaner Tierschutz e.V., eines selbst innerhalb der TS-Szene völlig unbedeutenden Spendensammelvereines (der gleichwohl als Mitgliedsverein der o.a. "Allianz für Tiere" firmiert). Der Vorsitzende dieses Vereins, ein gewisser Ulrich Dittmann, ergeht sich mangels inhaltlicher Argumente gegen Goldners Text in ebenso einfältigen wie haltlosen Beschimpfungen des Autors, über den er u.a. schreibt: "Keinesfalls dürfen wir uns durch wichtigtuerische selbsternannte 'Tierrechtler', die außer geistiger Umweltverschmutzung und Profilierungsneurosen nichts aufzuweisen haben, kostbare Zeit stehlen lassen die wir für ernsthafte Tierschutzarbeit so dringend benötigen - und letztlich ist jeder, so auch ein Benhk [gemeint ist Wolfgang Behnk, Sektenbeauftragter der Evangelischen Kirche, r&r] oder Goldner für etwas gut und sei es nur um als schlechtes Beispiel zu dienen." (Das ganze Dittmann-Pamphlet findet sich hier.) Bezeichnerderweise ist Dittmanns Arbeitskreis humaner Tierschutz mit allem und jedem innerhalb der UL-Unterstützerszene verlinkt: Initiative zur Abschaffung der Jagd, Initiative jagdgefährdeter Haustiere, Arbeitskreis Tierrechte u. Ethik, Tierschutzpartei, Brennglas-Verlag usw.usf. Mitglieder des Vereins erhalten regelmäßig UL(nahe)-Propaganda ("Freiheit für Tiere"/Brennglas-Verlag) zugesandt.
Zweiter Versuch
Sechs Jahre (!) nach Erscheinen des obigen Artikels sah der Arbeitskreis humaner Tierschutz (bzw. das "Deutsche Tierschützbüro" als sog. Rechtsnachfolger) sich im September 2013 zu einer Distanzierung vom UL bemüßigt: "In der Vergangenheit wurden uns Verbindungen zum „Universellen Leben“ nachgesagt, sogar Vorwürfe einer „Unterwanderung“ wurden laut. Ursprünge haben diese Vorwürfe mehrheitlich in einem Artikel des Psychologen Colin Goldner. Unter dem Titel „Der braune Rand der Tierrechtsbewegung“ behauptete dieser unter anderem, das Deutsche Tierschutzbüro sei an einer Konferenz im Jahr 2006 beteiligt gewesen, die er dem „Universellen Leben“ zurechnet. Diese Behauptung ist nicht nur sachlich falsch, sondern entbehrt jeder Grundlage. Vertreter des Deutschen Tierschutzbüro e.V. haben niemals an einer Veranstaltung des „Universellen Lebens“ teilgenommen. Diese Fehlinformation spricht für die Qualität der „Aufklärungsarbeit“ von Herrn Goldner. Zu einer Richtigstellung sind die Verbreiter des Textes nicht bereit, daher distanzieren wir uns öffentlich. Richtig ist, dass das Deutsche Tierschutzbüro e.V. der Rechtsnachfolger des „Arbeitskreis humaner Tierschutz e.V.“ ist. (...) Zwischen dem Deutschen Tierschutzbüro e.V. und dem „Universellen Leben“ gab und gibt es keinerlei Zusammenhang, Kooperation oder andere Verbindungen. (Quelle: tierschutzbuero.de)
Tatsächlich wird in obigem Artikel gar nicht behauptet, Vertreter des Deutschen Tierschutzbüros hätten an besagter Konferenz im Jahre 2006 teilgenommen, vielmehr seien sie zu späterem Zeitpunkt zu der auf dieser Konferenz formierten "Allianz für Tierrechte" hinzugekommen.
Hinsichtlich der Behauptung, "zwischen dem Deutschen Tierschutzbüro e.V. und dem „Universellen Leben“ gab und gibt es keinerlei Zusammenhang, Kooperation oder andere Verbindungen", lohnt ein Blick in den Aufruf zur ersten gemeinsamen Aktion der "Allianz für Tierrechte" im März 2007: "Bei unserem Treffen in Oberursel im August des vergangenen Jahres hatten wir - die Teilnehmer/Innen der "Allianz für Tierrechte" (damals noch "Runder Tisch") - unter anderem beschlossen, mit vereinten Kräften gegen die Schweinemastanlage Krämer und die skandalöse Justizwillkür in Siegen vorzugehen. Unser Beschluss wird nun bald in die Tat umgesetzt - mit einer großen Protest-Kundgebung am 10. März in Siegen. Organisiert von der Glaubensgemeinschaft "Universelles Leben", beteiligen sich an dieser Veranstaltung neben Peta (People for the Ethical Treatment of Animals), dem Arbeitskreis für humanen Tierschutz und gegen Tierversuche e.V., dem Arbeitskreis Tierrechte & Ethik - A.K.T.E. und vielen anderen Organisationen aus dem In- und Ausland auch die Initiative zur Abschaffung der Jagd mit ihrer 65. Anti-Jagd-Demo." (Quelle:tierrechts-news)
Colin Goldner
Sogenannter Tierschutz im "Dritten Reich"
Auszug aus "Tierrechte und Esoterik - eine Kritik"
(...) Das wiedergehend vorgetragene Argument “Hitler hat kein Fleisch gegessen...” im Sinne von “...er hatte also auch seine guten Seiten”, taugt ebensowenig als Argument für Vegetarismus bzw. Veganismus wie das gleiche Argument im Sinne von “Nicht-Fleisch-Esser sind also auch keine besseren Menschen” dagegen. In letzterem Sinne dient es seit je dazu, tierrechtlich begründeten Veganismus lächerlich zu machen und/oder in eine anrüchige Ecke zu stellen.
Abgesehen davon, dass die Argumentation gegen den Veganismus mit Hilfe prominenter Nazis, die vielleicht kein Fleisch gegessen haben, so absurd ist wie die Auflistung veganer Geistesgrößen und Philanthropen als Argument dafür, war Hitler alles andere als Tierfreund oder Vegetarier, Veganer schon gar nicht. Tatsache ist: Hitler hatte, wie die ganze Führungselite der Nazis, eine gewisse Affinität zu Hunden. Er hielt insofern eine Schäferhündin namens Blondi, die stets in seiner Nähe sein musste. Wie sein Biograph Ian Kershaw schreibt, beruhte Hitlers Beziehung zu Hunden allerdings auf dem gleichen Prinzip wie sein Kontakt zu Menschen: absolute Unterordnung unter seinen Willen beziehungsweise: unter seine Willkür. Blondi wurde von ihm auf unberechenbare Weise kujoniert und oft mit einer Peitsche geschlagen. Kurz vor seinem Selbstmord im April 1945 erprobte er an der Hündin, ob das Zyankali, das er und Eva Braun einzunehmen vorhatten, auch zuverlässig tödlich sei. Da Blondi einen relativ langen Todeskampf zu erleiden hatte, beschloss er Selbstmord durch Erschießen.1
Oft heißt es auch, Hitler sei seiner Tierliebe wegen strikter Vegetarier gewesen. Nichts liegt der historischen Wahrheit ferner. Während Hitler regelmäßig tierische Produkte wie Käse, Butter und Milch konsumierte, vermied er in der Tat Fleischgerichte. Offiziell wurde dies damit begründet, dass er seinen "nervösen Magen" nicht zusätzlich belasten wolle. Tatsächlich aber glaubte er, mit dem Verzicht auf Fleisch die äußerst unangenehmen Körperausdünstungen reduzieren zu können, unter denen er seit seiner Kindheit litt. Insbesondere aber war er davon überzeugt, dass konsequenter Fleischverzicht ihn von seiner krankhaften Flatulenz kurieren könne - es entwichen ihm ständig geräuschvolle und höchst übelriechende Darmwinde -, die ihm, vor allem in Gegenwart von Frauen, außerordentlich peinlich war.2 Desungeachtet verzichtete er nie auf seine bayerisch-österreichischen Lieblingsspeisen: Leberknödel, gefüllte Wachteln und Kalbsbrühwürste; auch Kaviar vertilgte er in großen Mengen. Der angebliche Vegetarismus Hitlers war Teil einer von Joseph Goebbels bewußt in die Welt gesetzten Propaganda: der "Führer" als unermüdlich für sein Volk sich aufopfernder Asket, der weder rauchte noch trank, der kein Fleisch aß und keine Frauenaffären hatte. Dieses Mythenbild entrückte ihn gleichsam in höhere Sphären. Tatsache ist allenfalls, dass er aus Angst vor Lungenkrebs nicht rauchte und Rauchen in seiner Anwesenheit strikt verboten war. Ansonsten trank er regelmäßig und in größeren Mengen Alkohol. Auch hatte er, wenngleich in hochneurotischer Manier, Beziehungen zu verschiedenen Frauen.3 Das von ihm gezeichnete Bild war reine Fiktion: Vegetarier war er ebensowenig wie Tierfreund.4
Gleichwohl präsentierten sich sowohl Hitler selbst als auch andere Nazi-Größen ausdrücklich als Tierschützer. Selbst Göring, der als passionierter Jäger bekannt war oder Himmler, der vor seiner Karriere in der SS eine eigene Hühnermastanstalt betrieben hatte, stellten sich als engagierte Tierschützer dar. Tierschutz spielte eine wesentliche Rolle in der propagierten Werteordnung des Nationalsozialismus: eine vorgegebene “Barmherzigkeit gegen Tiere“, mit der, wie Max Horkheimer später schrieb, der “Koloß des faschistischen Schlächters“ seinen Haß gegen Menschen zu verkleiden wußte.5 Und mit der man populistisch geschickt anknüpfen konnte an eine seit dem ausgehenden 19.Jhdt. schon sich entwickelnde und in hunderten von Vereinen organisierte Hinwendung zu Natur- und Tierschutz in breiten Teilen der Bevölkerung. Mit der Usurpation der Idee samt nachfolgender Gleichschaltung der zahllosen Tierschutz- und Antivivisektionsvereine konnte zudem einer schwelenden Protestbewegung der Boden entzogen werden. In der Tat fand der Tierschutzgedanke schon unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung Niederschlag in den ersten erlassenen NS-Gesetzen: Schon im April 1933 wurde das Schlachten warmblütiger Tiere ohne Betäubung verboten, kurze Zeit darauf wurde das Strafmaß für Tierquälerei erheblich verschärft. Noch im selben Jahr wurden Tierversuche erheblich beschränkt, die Nazis rühmten sich insofern der “besten Tierschutzgesetzgebung der Welt“. In Wirklichkeit aber war die Novellierung der Weimarer Gesetze weniger von tierethischen Motiven getragen - die institutionalisierte Qualhaltung und Tötung von Tieren zu ökonomischen Zwecken blieb ebenso unberührt wie die von Göring besonders protegierte Jagd - als vielmehr von der Absicht, damit ein Druck- und Sanktionsmittel gegen die jüdische Bevölkerung in die Hand zu bekommen: Das Verbot, Schlachttiere ohne Betäubung zu töten, stellte das jüdisch-orthodoxe Schächten unter Strafe. Das Quälen und Töten von Tieren zu vorgeblich wissenschaftlichen Zwecken wurde in großem Stile fortgesetzt, insbesondere da, wo es sich um kriegsvorbereitende Forschung handelte. Lediglich jüdischen Wissenschaftlern galt ein striktes Vivisektionsverbot. Im Übrigen war die Tierliebe der führenden Nazis reiner Mythos, der mittels gezielter Propagandainszenierungen - über massenhafte Verbreitung von Kitschpostkarten etwa, die Hitler beim Füttern von Rehkitzen oder beim Tätscheln junger Hunde zeigten - künstlich erzeugt wurde.6
Wie Max Horkheimer Ende der 1940er schrieb, sei der vorgeblichen "Tier-, Natur- und Kinderfrommheit des Faschisten“ vorausgesetzt der “Wille zur Verfolgung“:“Das lässige Streicheln über Kinderhaar und Tierfell heißt: die Hand hier kann vernichten. Sie tätschelt zärtlich das eine Opfer, bevor sie das andere niederschlägt, und ihre Wahl hat mit der eigenen Schuld des Opfers nichts zu tun. Die Liebkosung illustriert, daß alle vor der Macht dasselbe sind, daß sie kein eigenes Wesen haben. Dem blutigen Zweck der Herrschaft ist die Kreatur nur Material. So nimmt der Führer der Unschuldigen sich an, sie werden ohne ihr Verdienst herausgegriffen, wie man sie ohne ihr Verdienst erschlägt. Dreck ist die Natur. Allein die abgefeimte Kraft, die überlebt, hat Recht."7
Fußnoten
1 Vgl. Kershaw, I.: Hitler 1936–1945. Stuttgart, 2000 (4. Auflage).
2 Vgl. Waite, R.: The Psychopathic God Adolf Hitler. New York, 1977, S. 27.
3 Vgl. Payne, R.: The Life and Death of Adolf Hitler. New York, 1973, S. 346f.
4 Vgl. Berry, R.: Warum Hitler kein Vegetarier war. In: natürlich vegetarisch, 6/2002 (vgl.auch: www.eco-world.de/scripts/basics/econews/basics.prg?a_no=7780 [10.2.2006]).
5 Vgl. Horkheimer, M.: Mensch und Tier. In: ders.: Gesammelte Schriften (Band V). Frankfurt/Main, 1988, S. 277. (Das Originalzitat lautet: “Für ihn [=den Koloß des faschistischen Schlächters] gilt wirklich, was Nietzsche Schopenhauer und Voltaire zu Unrecht vorwarf, daß sie ihren 'Haß gegen gewisse Dinge und Menschen als Barmherzigkeit gegen Tiere zu verkleiden wußten'").
6 Vgl. Bromberg, N./Small, V.: Hitler's Psychopathology. New York, 1983.
7 Horkheimer, M.: Mensch und Tier. In: ders.: Gesammelte Schriften (Band V). Frankfurt/Main, 1988, S.277.
in: Susann Witt-Stahl (Hrsg.): "Das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen - Beiträge zu einer kritischen Theorie für die Befreiung der Tiere". Alibri-Verlag, Aschaffenburg, 2007, S. 262f.
Achim Stößer
Entspannt in die Barbarei
zu Jutta Ditfurths Polemik, (Verbal-)Faschismus und Speziesismus
In ihrem Werk (Entspannt in die Barbarei. Esoterik, (öko-)Faschismus und Biozentrismus. Konkret Literatur Verlag, 1996 [neuaufgelegt 2002]) läßt Jutta Ditfurth sich über ein Konglomerat unterschiedlichster Themen aus - »Anthroposophie, Bioregionalismus, Erdbefreiung, Eugenik, Freiwirtschaftslehre, Germanenmythen, Speziezismus, Spiritualismus, Tiefenökologie, Veganismus, völkische Konzepte, Wurzelrassenlehre ...« [Klappentext] -, wirft alles in einen Topf, rührt um und kippt das ganze über die LeserInnen aus. Welche Farbe eine derartiger Mischmasch hat, läßt der Kunstunterricht erahnen: Ergebnis ihres Rezepts ist ein braune Soße.
Bedauerlich ist dabei zum einen, daß dadurch die berechtigten Teile ihrer Kritik an Glaubwürdigkeit verlieren, zum anderen sinnvolle und notwendige Konzepte wie Antispeziesismus, Veganismus und Tierrecht diskreditiert werden. Hier ist nicht der Platz, jeden Irrtum, jede Halbwahrheit und jede Lüge in Ditfurths Werk im einzelnen zu widerlegen und jeden rhetorischen und propagandistischen Winkelzug zu entlarven. Einige exemplarische Zitate müssen genügen.
»Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich habe nicht das geringste Problem mit der Entscheidung von Menschen, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren. Ich kann das respektieren. Es gibt viele gute Gründe, auch für mich persönlich,568 kein oder wenig Fleisch zu essen. Die Argumente gegen »Tierprodukte« wie Milch oder Eier sind allerdings absurd. Die Nutzung von tierischen Stoffen wie zum Beispiel Leder für Schuhe halte ich für legitim, die Alternative wäre ökologisch problematisch: eine horrende Kunststoffproduktion oder endlose Monokulturen für die Latexgewinnung. Bei anderen »Rohstoffen« kommt es darauf an, von welchen Tierarten sie »gewonnen« werden: Wird das Produkt wirklich gebraucht? Sind die Tiere geschützte Arten? Massentierhaltung oder Tierversuche lehne ich ab. Tierversuche sind nicht nur deshalb überflüssig, weil ihre Ergebnisse kaum auf den Menschen übertragen werden können, sondern auch, weil es längst alternative Methoden gibt und weil sie aus einem kritischen Verständnis von Wissenschaft und Forschung her abzulehnen sind.« [S. 168]
Natürlich ist es sehr großzügig, daß sie, anders als beispielsweise Bundeswehr, Gefängnisverwaltungen und auch viele Eltern niemanden dazu zwingen will, Fleisch zu essen. Was allerdings an der Tatsache, daß Milch und Eier zwangsläufig mit Tierquälerei und Tötung verbunden sind, absurd sein soll, verschweigt sie. überhaupt nennt sie (aus Unkenntnis oder in der Absicht, sie zu verheimlichen?) keines der angeblich absurden Argumente gegen Eier und Milchprodukte: daß nahezu alle Eier aus Legebatterien stammen; daß selbst die wenigen Freilandhühner, sobald die Legeleistung nach etwa einem Jahr nachläßt, getötet werden (während die natürliche Lebenserwartung bis zu fünfzig, im Schnitt zwanzig Jahre beträgt); daß jedes zweite Küken gleich nach dem Schlüpfen aussortiert und getötet wird - männliche Hühner legen keine Eier und sind bei Legehennenzuchtlinien für die Mast ungeeignet, lebender Abfall. Zudem handelt es sich um Qualzüchtungen: ein normales Huhn würde pro Jahr sechs Eier legen (bei Verlust durch äußere Einwirkungen bis zu zwanzig), Legehennen dagegen bis zu 250, in Batterien 300. Dies führt, da beispielsweise der Kalziumbedarf zum Aufbau der Kalkschale nicht über die Nahrung gedeckt werden kann und daher den Kochen entzogen wird, zu schweren Erkrankungen. Entsprechendes gilt für Milchkühe, die alljährlich (bis sie nach etwa fünf Jahren geschlachtet werden) ein Kalb bekommen müssen, damit der Milchfluß nicht versiegt. Nur die wenigsten Kühe sind lila und werden von kleinen Mädchen mit Gänseblümchen gefüttert.
Es ist bedauerlich, daß Ditfurth, wie weiter unten zu sehen sein wird, »KZ-Vergleiche« ablehnt, sonst müßte sie sich fragen lassen, ob sie, analog zur Haut getöteter Rinder an ihren Füßen auch die Lampenschirme aus Menschenhaut, wie sie in Buchenwald produziert wurden, für »legitim« hält, wo doch die Alternative »ökologisch problematisch« sein könnte. Aber selbst wenn ihr Szenario von »endlosen Monokulturen« etwas mit der Realität zu tun hätte, übersieht sie geflissentlich die endlosen Monokulturen für die Ledergewinnung: vier Fünftel des Weltsojaanbaus und fast die Hälfte des Getreides werden für die Ernährung sogenannter »Nutztiere« verwendet, wobei die Haut etwa ein Zehntel des »Werts« beispielsweise eines Rindes ausmacht. Und die Schwermetalle, die in Gerbereien eingesetzt werden, um das Verwesen der Haut zu verlangsamen, sind angesichts der so entstehenden Gewässerbelastung ökologisch ebenso bedenklich wie die Nitrate im Grundwasser, die aus der Gülle stammen, die Waldschäden durch Ammoniak (in Schweden als Hauptursache für das Waldsterben erkannt) und Methan aus Rindermägen als eine der Hauptursachen für den Treibhauseffekt.
Die Antwort auf die Frage, ob »das Produkt wirklich gebraucht« wird, läßt sich mit ein wenig Logik aus der Existenz von VeganerInnen ableiten: nein, wird es nicht. Wieso lehnt sie nur das Quälen und Töten »geschützter Arten« ab? Ihre Aussagen zu Tierversuchen machen es deutlich: diese sind nicht etwa aus ethischen Gründen, um die Leiden der Tiere zu vermeiden, abzulehnen, nein lediglich aus Gründen des Eigennutzes.
»Nur ein Beispiel für [sachlich falsche Behauptungen]: Richtig ist, daß die Aufzucht von Rindern das Mehrfache an Getreide verbraucht, als die Tiere hinterher an Nährwert mit ihrem Fleisch liefern. Daß aber der totale Vegetarismus den Hunger in der Welt abschafft, ist falsch, denn da gibt es noch einiges andere [...]« [S. 168f] Das trifft zwar zu, ist aber leider ein Strohmannargument: natürlich ist Veganismus nicht ausreichend, um den Hunger zu beseitigen - aber notwendig. Die Ditfurthsche Argumentation ist analog zur Aussage eines Jack the Ripper, der, gebeten, nicht weiter auf sein Opfer einzustechen, erwidert, dieses leide an Leberzirrhose und Syphilis, und wenn er seine Attacke beendete, würde das nichts ändern.
Mehrfach demonstriert sie ihre Ignoranz, indem sie »Speziesismus« schreibt, aber wohl doch eher »Antispeziesismus« meint: »[...] Veganismus und [...] Speziezismus [...] sind nicht identisch, überschneiden sich aber zu großen Teilen« [S. 124] oder »Der Biozentrist und seine GesinnungsfreundInnen, die Bioregionalistin, der Erdbefreier, die rechte Veganerin und der Speziezist, wollen ein einfaches, naturnahes Leben.« [S. 128]
Wie schon im Zusammenhang mit Tierversuchen hat sie nicht begriffen, daß es ethische Handlungsmotive geben kann. Vielmehr spricht sie an zahlreichen Stellen von »Verbot«, als ob Veganismus etwas wie eine Religion sei mit willkürlichen, »gottgegebenen« Ge- und Verboten: »Es gibt kein »natürliches« Verbot, Tiere oder Pflanzen zu essen. Im Gegenteil, die nichtmenschliche Natur macht anderes vor.« [S. 126] Ein Verbot gibt es nicht, richtig, und für jemanden, der verantwortungsbewußt handelt, ist ein Verbot auch nicht erforderlich. »[D]ie nichtmenschliche Natur macht anderes vor«, ganz recht, Kannibalismus bei Löwen, Spinnen, Haien, Kröten, Schimpansen und unzähligen anderen Spezies beispielsweise, aber ist das eine Rechtfertigung für den Kannibalen Jeffrey Dahmer? Habichte, Schwertwale, Kobras können sich nicht vegan ernähren. Menschen dagegen können sich frei entscheiden zwischen Veganismus oder Tierquälerei und Tötung. Unter der überschrift »Verbote und Aktionen« [S. 166] heißt es: »Also nicht nur kein Fleisch und kein Fisch, verabscheuungswürdig ist auch »weißes Blut«: Milch, Yoghurt, Eier, Butter, Käse.« [S. 167] Die Gründe hierfür wurden bereits oben angedeutet - bei Ditfurth fehlen sie wiederum. Bei Käse kommt noch hinzu, daß als Gerinnungsmittel gewöhnlich Lab aus den Mägen geschlachteter Kälber verwendet wird, so daß er nicht einmal vegetarisch ist. »Verboten auch das Tragen von Pelz, Leder, Seide, Wolle und Daunen, denn alle Produkte werden dem Tier mit Gewalt abgerungen.« [S. 168] Tiere werden zur Pelz- und Ledergewinnung auf qualvolle Weise getötet, Seidenraupen lebend gekocht, ein Drittel der Wolle ist Schlachtwolle, und Schur und Rupfen bedeuten ebenfalls Tierquälerei. »Also Früchte, Nüsse, Samen roh, guten Appetit. Die ganze Welt ein Nußbaum, und wenn's nicht für alle reicht, müssen gegebenenfalls 80 Prozent Menschen dran glauben [...]« [S. 168] Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte, Meeresgemüse, Kräuter und Gewürze zählen übrigens auch zu den veganen Nahrungsmitteln. Rohkost jedenfalls hat mit Veganismus und Tierrecht nichts zu tun (schon, weil dabei beispielsweise auch Rohmilch und Eier verwendet werden können), und die vegane Küche ist sehr viel abwechslungsreicher und interessanter als die »normale«. Die Vorstellung, daß »80 Prozent Menschen dran glauben« müßten, ist natürlich grotesk angesichts der Tatsache, daß ein Großteil der Nahrungsmittel verfüttert wird und ein Vielfaches der Erdbevölkerung vegan ernährt werden könnte.
Vergleichen wir die Realität mit Ditfurths äußerungen zum Veganismus: »Die Vorbilder der neuen antisozialen ökogruppen stammen aus den USA. Sie nennen sich Earth First!, Frontline, Hardline, Erdbefreier, TiefenökologInnen, BiozentristInnen, VeganerInnen, BioregionalIstinnen und haben großen Zulauf.« [S. 17] »Neben den BiozentristInnen wie Earth First gibt es die VeganerInnen, beide Gruppen überschneiden sich ideologisch zu großen Teilen. Auch VeganerInnen hängen der Tiefenökologie an. Auch VeganerInnen nennen sich ErdbefreierInnen. Auch sie leugnen das soziale Wesen Mensch und sind AntihumanistInnen. Ihr Ansatzpunkt ist aber nicht unbedingt die mystifizierte Wildnis - wie bei Earth First -, sondern erst einmal alle Tiere, die sie auf die gleiche Stufe stellen wie den Menschen.« [S. 149f] Antisoziale AntihumanistInnen also, die dafür sorgen wollen, daß die Katzen, Koalabären und Kakerlaken uns die Arbeitsplätze nehmen.
Solche Agitation verwundert nicht aus der Hand einer Speziesistin, und als solche ist die Autorin deutlich erkennbar: »Menschen und nichtmenschliche Teile der Natur wie Tiere, Pflanzen oder Viren sind nicht gleichwertig. Menschen sind ein besonderes Produkt der Evolution.« [S. 125] Was, bitte, ist denn der »Wert« eines Baums, eines Menschen, eines Pilzes, eines Schmetterlings, eines Fischs, wie wird er gemessen, so daß er gleich oder ungleich sein kann? Es geht nicht um irgendeinen »Wert«, sondern um die gleiche Berücksichtigung gleicher Interessen. Nicht um Wahlrecht für Quallen, sondern darum, schmerzempfindliche Tiere nicht zu Quälen.
»So behauptet die Organisation, daß sämtliche Versuche, einen »elementaren Unterschied zwischen Menschen und anderen [!] Tieren zu machen [...]« gescheitert seien [...] Tiere hätten »sehr wohl eine eigene [!] Sprache«, lebten »in sozialen Strukturen«, gebrauchten [Werkzeug,] hätten Interessen, den Wunsch nach Leben, Freiheit und Abwesenheit von Leiden [...]« [S. 162] formuliert sie, als ob dem nicht so wäre. Etwas, das jeden Menschen von jedem anderen Tier unterscheidet (das Ausrufezeichen, das sie hinter dem Wort »anderen« in ihrem Zitat setzt, macht deutlich, daß sie entgegen der wissenschaftlichen Realität, die spätestens seit Darwin jedem bekannt sein sollte, Menschen nicht zu den Tieren zählt, als lebten wir noch im finstersten christlichen Mittelalter), einen ethisch relevanten Unterschied zwischen Menschen und anderen Tieren also kann sie nicht nennen, doch sie hält »Religion« [S. 162] für etwas, das »den Menschen« auszeichne: eine ungeheuerliche Diskriminierung religionsloser Atheisten. Sie fragt, ob ein Affe den Koran lese [S. 162], und spricht damit den meisten Nichtmoslems, Legasthenikern, Analphabeten und Kleinkindern das Menschsein ab.
So wundert es nicht, daß sie auf rhetorische Manipulation zurückgreift, um Veganismus zu diskreditieren. Vielfach bestehen Zitate nur aus einzelnen Wörtern, die in einen völlig anderen Kontext gebracht werden, oder entstammen obskuren Fluglättern ohne Autorenangabe oder Datum. So wird beispielsweise die Vegane Aktion Ruhrgebiet zitiert, die zu einem »einfühlsamen Leben« und zum Veganismus aufruft, und übergangslos von einem nicht näher spezifizierten Briefbombenanschlag und einem 15jährigen, der einen »Betonbrocken von einer Autobahnbrücke warf und einen Menschen tötete« [S. 153f] fabuliert. Was das mit Veganismus oder der VAR zu tun haben soll, bleibt wohl für immer Ditfurths Geheimnis, und derartige Stellen sind in ihrem Buch Legion. Auf die gleiche Weise versucht sie, den Eindruck zu erwecken, »die Mehrheit der Szene« (welcher Szene?) rufe zur Gewalt gegen »Metzger und Jäger« auf (mehr zu diesem Thema weiter unten) - noch dazu mit einem »Zitat«, für das sie nicht einmal eine Quelle, und sei es nur ein obskures Flugblatt, angibt [S. 175]. An anderer Stelle heißt es: »Wie Gruhl kennen auch VeganerInnen [...] nur den Feind Mensch, dessen »überflutende Masse[n]«30 angeblich die Welt zerstören.31« [S. 33] Nur wer sich die Mühe macht, die angegebenen Referenzen nachzuschlagen, sieht, daß es sich nicht um Aussagen irgendwelcher »VeganerInnen« handelt, wie Ditfurth hier vorzutäuschen versucht, sondern um die eben jenes Herrn Gruhl.
äußerungen wie die folgenden bedürfen wohl keines weiteren Kommentars: »Darf ich einen Pickel im Gesicht mit Alkohol desinfizieren, obwohl dabei eintausend Bakterien massakriert werden?« [S. 127] »Oder hat, aus biozentrischer Sicht, das Zyklon B zuviel dem Juden gleichwertiges Kleingetier umgebracht, und das war das eigentliche Problem?« [S. 146] Es fragt sich, wer hier Konzentrationslager verharmlost - die der Nazis wie die der Nahrungsmittelindustrie.
»VeganerInnen werfen Menschen, die sich vorwiegend vegetarisch ernähren und die darauf achten, daß sie tierische Produkte nur unter der Voraussetzung zu sich nehmen, daß die Viecher, als sie lebten, nicht gequält wurden, vor, sie würden eine willkürliche Entscheidung treffen, wem sie Lebensrecht zugestehen und wem nicht. Das ist so. VeganerInnen bestreiten aus ihrer bornierten menschenzentrierten Sicht schließlich auch das Schmerzempfinden von Pflanzen, während sie Tieren soziale Fähigkeit und sogar Religiosität zusprechen. Sie ignorieren das Schluchzen des Blumenkohls, das Wimmern des gestochenen Spargels, den Schrei der brutal zerhackten Petersilie. Schiere Willkür!« [S. 167]
Was ist von jemandem zu halten, der keinen Unterschied darin sieht, einer Kartoffel oder einem Kaninchen die Augen auszustechen? Bemerkenswert, daß die Autorin hier offenbar die wissenschaftliche Ignoranz mit den von ihr zurecht kritisierten EsoterikerInnen teilt: Es handelt sich keineswegs um »bornierte menschenzentrierte Sicht«, sondern um eine wissenschaftliche Tatsache, daß Bohnen, Mais oder Paprika weder über Nervenzellen noch über etwas anderes verfügen, das ihnen ein Schmerzempfinden oder gar ein Lebensinteresse ermöglichen würde, bestenfalls über eine Reizweiterleitung, wie sie auch in einem Thermostat zu finden ist (kann ein Kühlschrank leiden?). Das wäre auch nicht sinnvoll: Schmerz hat sich durch die Evolution entwickelt, um die Tiere zur Gefahrenvermeidung, Flucht usw. zu veranlassen - Süßlupinen aber können nicht fliehen. Und selbst wenn, wie in Ditfurthschen Hirngespinsten, bei der Ernte ein millionenfacher unhörbarer Aufschrei der ähren durch das Weizenfeld ginge, wäre dieses Leiden doch durch Veganismus auf einen Bruchteil zu reduzieren, da, wie bereits erwähnt, jedeR NichtveganerIn ein Vielfaches an Pflanzen verbraucht - für die Ernährung der Tiere, deren Körper, Eier und Milch dann konsumiert werden.
Zu den »Menschen, die sich vorwiegend vegetarisch ernähren und die darauf achten, daß sie tierische Produkte nur unter der Voraussetzung zu sich nehmen, daß die Viecher, als sie lebten, nicht gequält wurden« [S. 167] gibt es einiges zu sagen. Daß diese »Achtung« spätestens beim Essen in der Kantine, im Restaurant oder im Flugzeug endet - den Batterieeiern in nichtveganen Nudeln, Kuchen, Keksen, Brot beispielsweise. Daß vier von fünf als Freilandeier verkaufte Eier aus Legebattereien stammen. Daß die Schlachtung selbst (die auch am Ende eines kurzen Lebens als Eier- oder Milchproduktionsmaschine steht) mit Qualen verbunden ist. Daß die Tiere, die tatsächlich nicht gequält werden, umso mehr leben wollen. Aber in der Ditfurthschen Phantasiewelt werden lila Kühe, tanzende Schweine und singende Hühner natürlich von einem freundlichen Biobauern totgeküßt.
Ein schöner Tod, »Euthanasie« würde sie in einem anderen Zusammenhang sagen: »Die Rückkehr zur Wildnis, in der nur die Stärksten überleben, ist ein sozialdarwinistisches Bild, das mit den »Euthanasie«-Vorstellungen bekannter TierrechtlerInnen kompatibel ist.« [S. 148] Daß sie »TierrechtlerInnen« nun auch noch absurderweise Sozialdarwinismus andichtet, bedarf wohl keines Kommentars. Wer aber mögen diese »bekannten TierrechtlerInnen« sein? Die Vermutung liegt nahe, daß es sich um Peter Singer handelt, der im Fall von nicht lebensfähigen Säuglingen die Möglichkeit diskutiert, statt diese, wie es üblich ist, langsam sterben zu lassen, »aktive Sterbehilfe« einzusetzen, aber dieser Terminus weckt natürlich keine Assoziationen mit den Morden der Nazis an Behinderten. Tatsächlich ist Ditfurth nicht in der Lage, Singers Namen zu nennen, ohne zugleich das Wort »Euthanasie« zu gebrauchen: »Es ist kein Zufall, daß die neuen »Euthanasie«-Propagandisten wie der Bioethiker Peter Singer auch als Tierrechtler Furore machen.« [S. 17] An anderer Stelle: »über Peter Singer ist andernorts bereits viel geschrieben worden, das soll hier nicht wiederholt werden. Der Bioethiker, Tierrechtler und »Euthanasie«-Befürworter spielt eine zentrale Rolle [...]« [S. 158f] und »Wie später in »Praktische Ethik« befürwortet Singer schon in »Animal Liberation« »Euthanasie« und Menschenversuche« [S. 159] Als ob es ein Arzneimittel gäbe, das nicht im Menschenversuch getestet wurde. Singers Thesen zur »Euthanasie« mag jemand zustimmen oder nicht (sie zu kennen wäre dazu allerdings nützlich - VeganerInnern jedenfalls lehnen im Gegensatz zu Ditfurth das Töten aller Tiere, also auch von Menschen, ab), die Schlüsse, die Ditfurth daraus zieht, sind jedenfalls höchst eigentümlich: »So sickert sie ein, die Ideologie von der Minderbewertung und Entwertung des Menschen, am Verstand vorbei, gleich in den mit Nüssen und Früchten gefüllten Bauch und das tierliebe Gefühl.« [S. 159] Tatsächlich: mit Verstand ist hier nichts von der »Minderbewertung und Entwertung des Menschen«, die sie herbeireden will, zu erkennen.
»Die Grundregel lautet, daß die Interessen jedes schmerzempfindenden Wesens gleiches Gewicht haben. Speziezismus bedeutet, die Interessen der Wesen einer anderen Spezies zum Vorteil der eigenen zu vernachlässigen.532« [S. 159] Referenz 532 verweist auf 531, welche lautet: »Michael Zimmerman, Interview über Tiefenökologie, in: Gottwald/Klepsch, S. 61ff., S. 68; zit. nach: Peter Bierl, Peter Singer: Speziezismus oder wie das Töten von Menschen leichter wird, in: ökoLinX 23/1996, S. 41f. Meine Argumentation folgt der Bierls.« [S. 210] Nirgendwo zitiert sie Singer direkt. Mit anderen Worten: Sie hat nichts von ihm gelesen (eine Eigenschaft, die sie mit den meisten seiner KritikerInnen zu teilen scheint, auch wenn es tasächlich mehr als genug an anderen Thesen Singers zu kritisiern gibt).
Andere dürfen allerdings nicht auf den Faschismus hinweisen: »AP vergleicht Massentierhaltung mit Konzentrationslagern und setzt den Speziezismus mit Sexismus und Rassismus gleich.« [S. 161]
So wie Sexismus die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und Rassismus die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit ist, ist Speziesismus die Diskriminierung aufgrund der Art. Es handelt sich dabei um eine Analogie, die auf der Hand liegt, eine »Gleichsetzung« erübrigt sich. Ein Beispiel: der Wert der Aussage »Parolen wie »Menschenrechte für Tiere« belegen nicht die Tierliebe der Fordernden, sondern deren Haß auf Menschen.« [S. 17] wird klar, wenn analog formuliert wird: »Parolen wie ,Wahlrecht für Frauen` belegen nicht die Frauenliebe der Fordernden, sondern deren Haß auf Männer.« Weder Liebe noch Haß sind erforderlich, um sich für Frauenrechte einzusetzen.
Inwiefern der »KZ-Vergleich« [S. 175] »die Shoah verharmlost« [S. 174], verschweigt Ditfurth geflissentlich. Schon 1976 erhielt Bernhard Grzimek vom Oberlandesgericht Düsseldorf die Genehmigung, weiterhin von KZ-Haltung in Hühnerbatterien zu sprechen. Als Grund, warum dieser Vergleich unangebracht sein soll, weiß Ditfurth lediglich zu sagen, daß »»hinter der industriell organisierten Vernichtung von Menschen und Massentierhaltung völlig verschiedene Interessen stehen«« [S. 175].
Vermutlich will sie als nächstes verbieten, die Tatsache zu äußern, daß Küken und »Pelz«tiere vergast werden. Schließlich wird in Brütereien und Pelzfarmen meist ein ganz anderes Gas verwendet als in KZs.
Es ist erstaunlich, daß sie nicht in ihrem Bemühen, VeganerInnen das Hakenkreuz anzuheften, das längst widerlegte Märchen, Hitler sei Vegetarier gewesen, wieder aufwärmt. Hitler hat - und zwar keinesweg aus ethischen Gründen - wenig Fleisch gegessen. So wie Jutta Ditfurth, würde jemand wie sie an dieser Stelle wohl einfügen.
Eine andere beliebte Propagandalüge läßt sie sich jedoch nicht entgehen: »ErdbefreierInnen und rechte VeganerInnen üben sich in Anschlägen auf ökoschlachter und drohen den uneinsichtigen NichtveganerInnen hin und wieder mit dem Tod.« [S. 34] »Besonders verhaßt bei den VeganerInnen sind Bauern und MetzgerInnen, die Tiere naturnah aufziehen und sie oder ihre Produkte als ökoware anbieten: »Fleisch fressen ist Mord, Käse fressen ist Folter« heißt ihre Parole. Militante VegetarierInnen gingen monatelang gegen einen Bremer öko-Schlachter vor, der im Mai 1995 schließlich sein Geschäft aufgab.566 Die veganen Helden hatten sich einen kleinen Gegner ausgesucht, keinen Schlachthof, keine Massentierhaltung« [S. 167f].
Auf die Verlogenheit des Begriffs »öko-Schlachter« - eine lila Kuh produziert ebensoviel Methan, Gülle und Ammoniak wie jede andere, und sie überlebt die Schlachtung ebensowenig - soll hier nicht weiter eingegangen werden. Viel interessanter sind die angeblichen Todesdrohungen. Wieder fehlt es hier an Logik: VeganerInnen lehnen das Töten von Tieren ab. MetzgerInnen sind nicht etwa »Pflanzen oder Viren« [S. 125], sondern Tiere. Was also folgt daraus bezüglich des Tötens von MetzgerInnen durch VeganerInnen? Und inzwischen ist Matthias Groth, jener berüchtigte Bremer »öko-Schlachter« wegen Brandstiftung und Vortäuschens einer Straftat verurteilt: den angeblichen Brandanschlag auf seinen Laden hatte er selbst begangen.
Dankenswerterweise faßt Ditfurth den Inhalt ihrer Ergüsse zu Veganismus, Tierrecht und Antispeziesismus selbst unfreiwillig in einem Wort zusammen: »Blablabla.« [S. 147]
Entspannen jedenfalls sollten wir uns erst, wenn eine geistige Barbarei, wie sie sich in einem derartigen Machwerk manifestiert, der Vergangenheit angehört.
Quelle: http://maqi.veganismus.ch/maqi.de/